Die Lust am Schreiben


Lebensgeschichtlich und in meiner beruflichen Ausrichtung bin ich ein ´alter Hase`, und zugleich eine noch junge Autorin. In diesem biografischen Ausschnitt soll es um das Zusammenspiel von beidem gehen.

In meinem Beruf als Psychotherapeutin schien es lange Zeit keinen Platz für Schreibversuche zu geben, ich hatte bereits ein erfülltes Leben.

Noch im Studium gehörte ich einer Gruppe von Frauen an, die eine der biff-Frauenberatungsstellen in Hamburg gründete. In den Beratungen bin ich zunehmend Frauen mit dem Thema ´Sexueller Missbrauch` begegnet - in den 1980ern in Deutschland erstmals öffentlich thematisiert. Nach dem Psychologie-Studium und verschiedenen therapeutischen Ausbildungen zog es mich ´wie von selbst` in Richtung der Arbeit mit traumatisierten Frauen.

Später bekam ich immer häufiger Anfragen von Menschen mit einer dissoziativen Identitätsstruktur (DIS), damals und immer noch auch als ´multiple Persönlichkeiten` benannt.

 

Meine therapeutische Arbeit hat immer einen großen Platz in meinem Leben eingenommen; der Wunsch, aus der Fülle meiner Erfahrungen zu schöpfen, wurde dringender: Schönes wie auch Ungeheuerliches musste mitgeteilt werden, in der Arbeit mit ´Multis` saß ich an der Quelle. Natürlich wusste ich, dass der Stoff unbequem und nicht kompatibel im Mainstream unserer Gesellschaft und unseres Gesundheitssystems ist. Das hat es nicht einfacher gemacht. Ich musste einen Weg finden, mich mitzuteilen. Aber wie?

 

Zunächst waren es autofiktionale Essays, sie machten mir Spaß und brachten mich ins Schreiben: Mehr und mehr traute ich mich, verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren und damit zu experimentieren.

Auf meiner Suche bin ich auf die autoethnobiografische Forschung und die Romane von Michael Leiris getroffen. Auch ich hatte es mit Menschen zu tun, die anders waren, musste einen Umgang finden, mit dem, was mir fremd war. Die Autoethnobiografie war ein erster wichtiger Anstoß.

Ich habe weiter nach Literatur zu thematisch verwandten Themen gesucht.

Heute kann ich meine Suche in meinen Bücherregalen rekonstruieren: Ich finde die Romane von Autor:innen, die den Holocaust überlebt haben, sie stehen neben theoretischen Werken über ´Normalität` von Gewalt, über Ohnmacht und Überleben. Ich entdeckte erschütternde Überschneidungen mit den Erfahrungen meiner schwerst traumatisierten Patient:innen.

Wie schwer, dafür Worte zu finden. Wie schwer, über Gewalt zu schreiben, ohne dass es eine unerträgliche Zumutung ist.


Wieder stehe ich vor meinen Regalen und treffe auf ein weiteres heikles Thema: die Welt jenseits von Materie. Ich habe nach Beiträgen gesucht, die unterschiedliche energetische Zustände erklären können, ohne in die Nähe von esoterischen Modellen zu geraten. Gefunden habe ich wenig, aber die Beschreibungen der Ärztin Kübler-Ross über den Zustand von ´Out-of-Body` waren ein Anhaltspunkt: Es lässt sich also erzählen, was bei den meisten Menschen außerhalb ihres Erfahrungsspektrums liegt. Durch meine Arbeit mit multiplen Menschen wusste ich, dass sich ihr Leben neben dem Alltag größtenteils in differenzierten inneren Welten abspielt, in einer äußerlich nicht-sichtbaren Wirklichkeit.

Wie kann ich etwas in Worte fassen, das der Mehrzahl von uns nicht zugänglich ist?

Und da kommt mein ROMAN ins Spiel; eine Freundin hat mir auf die Sprünge geholfen:

In einem Roman kannst du alles erzählen, auch das Unglaubliche. Es werden sich Menschen darin wiedererkennen, andere werden es nicht glauben wollen, aber wen kümmert es? Leser:innen picken sich heraus, was sie nehmen wollen und können, der Rest ist Unterhaltung.

 

´Vogel mit Licht` ist mein Debüt. Die vier Jahre seines Entstehens waren ein schönes Abenteuer: Ich hatte Spaß am Schreiben, ich machte Fortschritte, durfte interessante Menschen mit spannenden Themen kennenlernen.

Eine Ausbildung an der Akademie Montségur stand am Anfang meines Lernens, es folgten eine Reihe von Fortbildungen, in denen ich mich mit anderen Schreibenden austauschte – bis heute eine wichtige Quelle an Anregungen und Impulsen, die ich nicht missen möchte.


 Nach Jahren in der ´Schublade` und einer erneuten Überarbeitung ist es nun soweit:

´Vogel mit Licht` fliegt los!

 

Ich erzähle über das Wunder des Überlebens und den Preis, den es hat.


 

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